Offener Brief an Bundesrat Beat Jans

«...und eine Notschlafstelle ist kein Asylzentrum»

Aktion, Suisse

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Bundesrat Beat Jans hat nach knapp 50 Tagen im Amt bereits zum zweiten Mal Verschärfungen im ohnehin schon sehr restriktiven Asylwesen angekündigt! Die Freiplatzaktion Basel äussert in ihrem offenen Brief an den neuen Bundesrat berechtigte Kritik: Die (rechte) Asylmissbrauchsrhetorik ist nicht nur unmenschlich, sondern bedient «Pflästerlipolitik», anstatt bei den Ursachen anzusetzen. Unterschreibe jetzt die Petition. Vielen Dank!

Basel, 21. Februar 2024

Offener Brief an Herrn Bundesrat Beat Jans «…und eine Notschlafstelle ist kein Asylzentrum»

Lieber Herr Bundesrat Beat Jans

Seit gerade einmal 51 Tagen sind Sie nun im Amt und bereits zum zweiten Mal kündigen Sie Verschärfungen im Asylwesen an. Zunächst sinnieren Sie am WEF über Zwangsausschaffungen in den Irak, dann kündigen Sie eine Palette an möglichen Verschärfungen an, um vermeintlich dringende Probleme im Asylwesen anzugehen. Tamedia zitierte Sie dabei mit den Worten: «Es ist keine linke Politik, bei Problemen wegzuschauen».

Richtig, es gäbe tatsächlich so vieles anzugehen. Sie könnten sich für einmal der katastrophalen medizinischen Versorgung im schweizerischen Asylwesen widmen. Oder der genauso katastrophalen Situation rund um die Unterbringung. Sie könnten die völlig falsch konzipierte und fehlgeschlagene Notfallorganisation überarbeiten. Oder die Organisation der Loge im Bundesasylzentrum in Basel resp. die Zusammenarbeit des SEM mit der Securitas AG ganz generell überdenken.

Wie wäre es, wenn Sie sich dafür einsetzen würden, dass die Asylgesuche aller afghanischen Asylsuchenden behandelt, statt weit über den SEM-eigenen Behandlungszeiträumen liegen gelassen werden? Gegenbenfalls könnten Sie sich auch für die Wiedereinführung der 30-tägigen Beschwerdefristen in den materiellen Asylverfahren einsetzen. Oder Sie setzen eine Task Force zu den Umsetzungsmodalitäten des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) ein, und zwar eine, die auch die Interessen der Asylsuchenden mitberücksichtigen könnte. Pick one.

Das sind alles Beispiele von Problemen, die eine ‹linke Politik› angehen könnte. Sie aber verfallen leider in die gleichen Reflexe wie schon Ihre Vorgänger:innen. Sie bedienen die (rechte) Asylmissbrauchsrhetorik, stimmen in den Kanon von Sicherheitsbedenken ein und preisen 24- oder 48-Stundenverfahren sowie weitere Verschärfungen als Heilmittel für Pendenzenabbau an. Und sie erliegen der Verlockung, dabei auf die Gruppe von Personen zu hauen, die ohnehin schon der blanken Verachtung der breiten Öffentlichkeit ausgesetzt ist: junge Männer aus Nordafrika. Diese Politik ist kurzsichtig, sie ist langweilig, weil absolut nicht neu, sie ist anbiedernd an die politische Rechte und sie beschäftigt sich darüber hinaus auch nicht mit Ursachen, sondern maximal mit Symptomen.

Klar, es ist natürlich verlockend jeweils ein hartes Vorgehen gegen all die vermeintlich aussichtslosen Asylgesuche zu verkünden, um Glaubwürdigkeit und Entschlossenheit zu demonstrieren, gerade zu Amtsbeginn. Ob all diese Gesuche tatsächlich aussichtslos sind… das sei dahingestellt und niemand kann das im Vornherein beurteilen. Was aber klar ist: ob sie diese Gesuche jetzt noch schneller abhandeln wie bisher, hat nicht den von Ihnen propagierten Effekt. Ich nehme nicht an, dass Sie die Betroffenen direkt danach gefragt haben (falls Sie dies möchten, dann wissen Sie ja, wo unsere Beratungsstelle ist), aber Sie denken sicherlich auch nicht ernsthaft, dass die von Ihnen anvisierten jungen Männer aus dem Maghreb nicht wissen, was sie in Europa erwartet und wie es hier um sie bestellt ist.

Diese Menschen werden ohnehin und überall wie – pardon – der ‹letzte Dreck› behandelt. Sie kommen nicht mit der Absicht nach Europa, ein Asylgesuch zu stellen, sondern sie versuchen schlicht und einfach, irgendetwas anderes aus ihrem Leben zu machen als gar nichts. Dafür setzen sie sich in Bewegung und beanspruchen letztlich die einzige Möglichkeit des Ankommens, die Europa und das System ‹Europäisches Asylwesen› pro Forma noch zulassen: ein Asylgesuch zu stellen. Natürlich ist das für die Allermeisten der falsche Weg, das wissen alle. Aber solange keine Alternativen bestehen, können Sie so hart auf diese Personengruppe schlagen wie sie wollen, es wird in der Breite nie den von ihnen propagierten (abschreckenden) Effekt haben. Diese Feststellung ist mittlerweile so alt und so dermassen banal, dass Sie das auch selber wissen.

Wenn Sie also die Kriminalität, die das Asylwesen beherbergt, reproduziert und neu hervorbringt und das systemfremde Aufprallen im Asylwesen bekämpfen wollen, dann müssen Sie sich mit der Errichtung und dem Aufbau ernst gemeinter Alternativen, die eine Perspektive bieten beschäftigen: alternative Zulassungsmodelle zum Asylwesen, grosszügigere finanzielle Individualunterstützungen, flexible Arbeitsmarktmodelle, eine mögliche Beschneidung der hochqualifizierten Zuwanderung, etc. Sie sehen, es gibt tatsächlich andere ‹linke› Denkansätze, deren Umsetzung bis dato nie ernsthaft überprüft wurde.

Wir halten unsere Erwartungshaltung an neue Amtsträger:innen gemessen an den Erfahrungen der Vergangenheit jeweils tief. Trotzdem sind wir reichlich enttäuscht über Ihre ersten Ankündigungen und Schritte als Bundesrat. Aufgrund Ihrer Historie und Ihrer Personalpolitik haben wir uns mehr erhofft. Aber was nicht ist, kann ja hoffentlich noch werden.

Freundliche Grüsse
Freiplatzaktion Basel

PS: Der Blick titelte mit Ihrer Aussage: «Ein Asylzentrum ist keine Notschlafstelle!». Das gilt auch umgekehrt, mit Verweis auf die Jahr(zehnt)elange Praxis in der Stadt Basel bezüglich der Notschlafstelle, die Ihnen als ehemaliger Regierungspräsident sicherlich bekannt ist.

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