Offener Brief an Bundeskanzler Rossi
Stopp! Jede Unterschrift zählt.

Über Nacht sind gültige Unterschriften für Initiativen und Referenden plötzlich ungültig – wegen verschärfter Regeln der Bundeskanzlei. Zehntausende Unterschriften drohen in den Papierkorb zu wandern. Das muss sofort gestoppt werden! Unterzeichne jetzt den offenen Brief an Bundeskanzler Rossi und den Bundesrat.
Basel, 11.11.2025
Offener Brief an Bundeskanzler Viktor Rossi – mit Kopie an den Bundesrat
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Rossi,
seit Oktober 2025 wenden die Gemeinden eine neue Richtlinie der Bundeskanzlei an. Wenn Name und Vorname auf einer Unterschriftenliste von der gleichen Hand eingetragen sind, gelten grundsätzlich alle betreffenden Unterschriften als ungültig – selbst dann, wenn die betroffenen Personen eigenhändig unterschrieben haben.
Die Bundeskanzlei lässt die Gemeinden zwar ein gewisses Ermessen, zumindest eine Unterschrift als gültig anzuerkennen. Aber es sieht so aus, als würde dieser Spielraum nicht oder nur ungenügend genutzt. Die Praxisänderung hat deshalb weitreichende Folgen.
Zehntausende Unterschriften betroffen
In ersten Stichproben haben wir festgestellt, dass zwischen 5 und 15 Prozent der Unterschriften betroffen sind (siehe Dossier «Amtlich gestrichene Unterschriften für Initiativen und Referenden»). Wenn wir das hochrechnen auf nationale Volksinitiativen und Referenden, dann könnten in den nächsten Monaten Zehntausende gültige Willensbekundungen gestrichen werden. Betroffen sind Bürger:innen – nicht Betrüger:innen
Die Verschärfungen betreffen Bürger:innen, die gemeinsam unterschreiben – beispielsweise Ehepaare, Familien, WG-Mitbewohner:innen oder Arbeitskolleg:innen. Ihre Unterstützung für Initiativen und Referenden wird durch den amtlichen Begründungscode d («von gleicher Hand») nicht mehr anerkannt.
Die neue Praxis trifft zudem jene Komitees, die auf freiwillige Sammler:innen und Versände setzen, anstatt kommerzielle Sammelfirmen zu beauftragen. Die verschärfte Bescheinigung erhöht den administrativen Aufwand, schafft Unsicherheit und untergräbt das Vertrauen in die demokratischen Verfahren.
Trifft Bürger:innen statt Betrüger:innen
Noch schwerer wiegt, dass die neuen Regeln die Sicherheit der Sammlung nicht verbessern. Wer betrügerisch handeln will, trägt Namen nicht auf der gleichen Liste ein, wie dies Bürger:innen für Familienmitglieder zu Hause am Küchentisch machen, sondern auf verschiedenen.
Die Fälle von Bürger:innen zeigen hingegen klar: Hier haben Menschen eigenhändig unterschrieben und ihren Willen bekundet, ein Volksbegehren zu unterstützen. Die Vorgaben der Bundeskanzlei und ihre Umsetzung durch die Gemeinden entwerten diese Unterschriften – und dies ohne ausreichende Rechtsgrundlage.
Einführung ohne Transparenz und ohne Übergangsfrist
Für die Stiftung für direkte Demokratie ist es nicht nachvollziehbar, dass die Bundeskanzlei weder die Stimmbevölkerung noch die Komitees oder die Medien frühzeitig über die konkreten Verschärfungen und die absehbaren Konsequenzen informiert hat.
Die neue Regelung gilt zudem rückwirkend für laufende Projekte und bereits getätigte Unterschriften, und das mitten in laufenden Sammlungen und ohne Übergangsfrist. Dies widerspricht dem in Art. 9 der Bundesverfassung garantierten Vertrauensschutz.
Wer unterschreibt, darf darauf vertrauen, dass die Regeln, die schon seit Jahren gelten, auch so bleiben – zumindest bis die Bürger:innen richtig und vollständig informiert wurden.
Streichen von Unterschriften stoppen!
Für die Stiftung für direkte Demokratie ist klar: Die Integrität der Unterschriftensammlung wird durch die neuen Vorgaben der Bundeskanzlei nicht gestärkt. Wir ersuchen Sie deshalb, Herr Bundeskanzler, umgehend zu handeln und die folgenden Massnahmen zu prüfen:
1. Praxisänderung aussetzen: Die im Oktober 2025 eingeführte Praxisänderung, welche Unterschriften mit dem Begründungscode d («von gleicher Hand») betrifft, ist sofort auszusetzen. Die bisherige, bewährte Regelung, wonach die Willensbekundung höher als formalrechtliche Vorgaben gewichtet wird, muss wieder gelten.
2. Willenserklärung schützen: Die Richtlinie ist so anzupassen, dass bei gleicher Handschrift mindestens eine Unterschrift pro Liste gültig bleibt, sofern kein Manipulationsverdacht besteht.
3. Übergangsfristen sicherstellen: Bei künftigen Änderungen der Ausübung politischer Rechte sind Übergangsfristen von mindestens zwölf Monaten vorzusehen, um Rechtssicherheit und Vertrauensschutz zu gewährleisten.
4. Rechtssicherheit und öffentliche Debatte schaffen: Die Bundeskanzlei soll künftige kleinere Praxisänderungen auf Verordnungsstufe regeln, mit Anhörungen und Vernehmlassungen der politischen Akteure, Parteien, Komitees, Gemeinden und Kantone. Das schafft Transparenz und sorgt für eine notwendige öffentliche Debatte. Bei grösseren Reformen, die die politischen Rechte betreffen, ist eine ordentliche Revision der Gesetzgebung notwendig.
5. Transparente Information gewährleisten: Die Öffentlichkeit muss besser informiert werden. Bürger:innen haben ein Recht zu wissen, was eine gültige Unterschrift ausmacht und wann sich Regeln ändern. Praxisänderungen sind künftig als Beilage zum Abstimmungsbüchlein zu erläutern, den politischen Akteuren und Medien umgehend mitzuteilen und auf der Website der Bundeskanzlei vollständig zu publizieren.
Wir bitten Sie, Herr Bundeskanzler Rossi, die nötigen Schritte einzuleiten, um Rechtssicherheit und Vertrauen wiederherzustellen – im Interesse aller Bürger:innen, die unsere direkte Demokratie mittragen.
Mit freundlichen Grüssen, Daniel Graf
Stiftung für direkte Demokratie
PS: Erlauben Sie mir, Herr Bundeskanzler Rossi, einen Nachtrag zu einem aktuellen Fall, der der Tagesanzeiger publik gemacht hat: Wenige Wochen vor der Praxisänderung erklärte die Bundeskanzlei Unterschriften der Zürcher Firma Sammelplatz für gültig – obwohl ein kommerzieller Tessiner Sammler für Hunderte (!) Personen Angaben wie Vornamen, Namen selbst ausgefüllt hatte.
Die Begründung der Bundeskanzlei war: Man habe «nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip und mit Augenmass» entschieden. «In der Abwägung zwischen dem formalrechtlichen Vorgehen und der Wahrung der Volksrechte» habe die Bundeskanzlei Letztere stärker gewichtet.
Der Fall Tessin zeigt, dass es rechtlichen Spielraum gibt und die Bundeskanzlei sowie die Gemeinden mit Augenmass und zugunsten der Volksrechte entscheiden können.
Dossier «Amtlich gestrichene Unterschriften»
Die Stiftung für direkte Demokratie hat die Hintergründe und vor allem die Folgen der Verschärfung der Bescheinigungspraxis für Bürger:innen, Komitees und die direkte Demokratie genauer untersucht. Lesen Sie jetzt das 👉🏼 Dossier «Amtlich gestrichene Unterschriften für Initiativen und Referenden».
Medienberichte
- Änderung bei Initiativen: Tausende Unterschriften plötzlich ungültig (Nau.ch)
- Harte Tour bei Volksrechten: Tausende Unterschriften sind plötzlich nicht mehr gültig (Tagesanzeiger.ch)
- Nach «Unterschriften-Bschiss» greift der Bund durch (SRF News)
- Unterschriften-Bschiss: Verschärfte Praxis trifft die Falschen (Tagesanzeiger.ch)
Sammelstart: 14. November 2025
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