Offener Brief an Bundesrat und Parlament

Rahmenabkommen Schweiz–EU: direkte Demokratie bewahren und stärken!

Aktion, Schweiz

3’503 Unterzeichnende

Die Schweiz ist keine Insel. Deshalb ist es zweckmässig, das Verhältnis der Schweiz zur EU zu klären und zu festigen. Mit einem offenen Brief fordern wir Bundesrat und Parlament auf, flankierende Demokratie-Massnahmen auszuarbeiten und das geplante Rahmenabkommen Schweiz-EU dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Setze dich jetzt für die Stärkung der direkten Demokratie ein und unterzeichne den offenen Brief!

Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrats und der Bundesversammlung

Die Schweiz ist keine Insel. Deshalb ist es zweckmässig, das Verhältnis der Schweiz zur EU zu klären und zu festigen. Das geplante Rahmenabkommen sieht eine dynamische Rechtsübernahme von EU-Recht in der Schweiz, ein Schiedsverfahren und letztinstanzliche Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vor. Unser Land wäre künftig verpflichtet, neues EU-Recht zu übernehmen. Andernfalls drohen Sanktionen. Auch wenn der Vertragstext noch nicht ausgehandelt ist, zeichnet sich ab, dass die Schweiz damit vor grossen Veränderungen steht.

Die Unterzeichnenden dieses Offenen Briefs setzen sich für den Erhalt und die Stärkung der direkten Demokratie in der Schweiz ein. Wir fordern deshalb die Mitglieder des Bundesrats und der Bundesversammlung auf:

1_ Flankierende Demokratie-Massnahmen zu erarbeiten und mit dem Rahmenabkommen in Kraft zu setzen. Damit kann eine Schwächung der Volksrechte und der Mitwirkung der Bürger:innen verhindert werden. Mögliche Ansätze sind die Verankerung der Demokratieförderung in der Bundesverfassung, die Unterstützung der Mitwirkung auf EU-Ebene, die Einführung neuer politischer Instrumente oder der Abbau von Barrieren durch die Digitalisierung.

2_ Das geplante Rahmenabkommen mit der EU dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Eine institutionelle Einbindung mit dynamischer Rechtsübernahme, Schiedsverfahren und letztinstanzlichen Urteilen des EuGH greift tief in unser bewährtes politisches System ein und verändert dabei die Spielregeln der direkten Demokratie.

Warum diese Forderungen? Parlament und Volksrechte werden durch die dynamische Rechtsübernahme formell nicht eingeschränkt. Das Parlament müsste jeder Rechtsübernahme zustimmen und die Übernahme von EU-Recht würde dem fakultativen Referendum unterstehen.

Wachsender Druck auf Referenden

Doch bei einem Nein im Parlament oder an der Urne drohen Sanktionen, die im Voraus nicht klar beziffert werden können. Im schlimmsten Fall wäre sogar die Kündigung von Verträgen möglich. Diese unsichere Ausgangslage hat Einfluss auf die Argumentation und Meinungsbildung im Abstimmungskampf: Der Druck auf das Parlament und die Stimmbevölkerung würde spürbar erhöht, EU-Gesetzen zuzustimmen.

Einen Vorgeschmack darauf lieferte die Frontex-Abstimmung 2022. Die Weiterentwicklung von «Schengen», wo die dynamische Rechtsübernahme bereits angewendet wird, stand aufgrund der gravierenden Menschenrechtsverletzungen an den EU-Aussengrenzen zur Abstimmung. Die Debatte nahm jedoch eine ganz andere Richtung, weil Bundesrat und Parlamentsmehrheit für den Fall einer Ablehnung der EU-Verordnung mit dem Ende der Zusammenarbeit mit den «Schengen/Dublin»-Staaten drohten.

Schwächung der Volksinitiative

Nachteilige Effekte hätte das geplante Rahmenabkommen auch auf die eidgenössischen Volksinitiativen. Diese würden einen Teil ihrer Kraft einbüssen, den politischen Aushandlungsprozess in der Schweiz in Gang zu setzen und die Gesetzgebung zu beeinflussen. Bei Themen, die unter das Rahmenabkommen fallen, ist zu befürchten, dass Initiativen im gesamten Prozess – Lancierung, parlamentarische Behandlung und Abstimmungskampf – mit Verweis auf das geltende EU-Recht an politischem Gewicht verlieren.

Volksinitiativen, die den bilateralen Verträgen widersprechen, werden schon heute nicht vollumfänglich umgesetzt. Dies zeigt etwa das Beispiel der Alpen-Initiative. Ein neues Abkommen mit der EU würde den Vorrang des EU-Rechts auf weitere Politikbereiche ausdehnen.

Abgehängte Zivilgesellschaft

Die absehbare Verlagerung der Politik auf die europäische Ebene hat weitere, bisher kaum beachtete Folgen. Unmittelbar betroffen sind zivilgesellschaftliche Netzwerke, Organisationen und Verbände, viele davon mit bescheidenen Ressourcen. Schon auf Bundesebene müssen sie darum kämpfen, gehört zu werden und ihre Interessen in den parlamentarischen Prozess einzubringen. Auf europäischer Ebene wird dies ungleich schwieriger und aufwendiger.

Profiteure dieser Entwicklung sind finanzstarke Organisationen und Verbände. Insbesondere die Schweizer Wirtschaftsverbände sind in der Lage, zusätzliche Mittel ins Lobbying zu investieren. Sie werden deshalb auch vermehrt auf europäischer Ebene aktiv sein, um auf die nationale Politik einzuwirken.

Demokratie zum Thema machen

Ein derart weitreichendes Rahmenabkommen, das unser politisches System umgestaltet und bestehende Ungleichgewichte verstärken würde, darf nicht ohne grösstmögliche demokratische Legitimation beschlossen werden. Staatsverträge mit Verfassungsrang direkt dem Volk zu unterbreiten, hat in der Schweiz Tradition, wie das Freihandelsabkommen Schweiz–EU 1972 und der Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992 gezeigt haben. Gleichzeitig müssen, wie eingangs gefordert, Massnahmen ergriffen werden, um den drohenden Demokratieverlust aufzufangen, der mit der Politikverlagerung auf die EU-Ebene und der dynamischen Rechtsübernahme einhergeht.

Bei aller Ungewissheit rund um das geplante Rahmenabkommen steht fest: Die Schweiz wird dereinst an der Urne über das Verhandlungspaket abstimmen. Und dabei wird die Frage der Sicherung und Stärkung der direkten Demokratie im Spannungsfeld Schweiz–EU eine zentrale Rolle spielen. Ein guter Grund, sich dieser Herausforderung zu stellen.

Claudio Kuster und Daniel Graf
Stiftung für direkte Demokratie

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